Predigt am Sonntag, 27. September 2015 Gottes Berufung und unser Beitrag (2. Mose 3:1-10) In der Wüste gibt es en seltsames Phänomen, das schon manch einen das Leben gekostet hat. Man nennt es Fata Morgana, eine Spiegelung in der vor Hitze flimmernden Luft, die dem Betrachter vorgaukelt, eine große Wasserfläche vor sich zu haben. In der Wüste ist nichts so, wie es scheint, und Menschen, die an diesem Ort überleben wollen, müssen auf alles vorbereitet sein. Eben auch darauf, Dinge zu sehen, die gar nicht da sind. Mose kennt die Wüste wie seine Westentasche, aber so etwas hat er noch nie gesehen: Ein Busch, der brennt, aber nicht verbrennt! Was ist das - eine Luftspiegelung? Neugierig kommt er näher. In der Wüste kann es geschehen, dass Gott wieder redet. Seit einigen hundert Jahren hat er es nicht mehr getan. Und als er es plötzlich wieder tut, kommt das völlig überraschend. Überraschend, aber unmissverständlich. Seine heilige Gegenwart erfüllt den Ort. Mose begreift sofort, das er es mit einer Wirklichkeit zu tun hat, die genauso real ist, wie der Boden unter seinen Füßen: "Zieh deine Sandalen aus, denn du stehst auf heiligem Boden!" Manchmal vergessen wir, dass es heilige Orte gibt. Nicht aus sich selbst sind sie heilig, aber sie werden es, weil sich Gott dort manifestiert. Das kann eine Kirche sein, genauso wie ein ganz normales Büro oder eine Küche oder eben eine Wüste. Manchmal vergessen wir das, durch den ständigen Umgang mit dem Heiligen gewöhnen wir uns daran und es wird für uns gewöhnlich. Es ist gut, wenn wir uns immer wieder daran erinnern lassen, dass Gott heilig ist und dass die Orte, an denen er uns begegnet, seine Heiligkeit wiederspiegeln. Bei den Jesus People in Chicago bin ich einer jungen Frau begegnet, die auch als Gast dort war. Sie sprach von einem heiligen Ort. Sie sagte, sie hätte sofort gespürt, dass sie sich verändern müsse, um an diesem Ort bleiben zu können. Wir brauchen heilige Orte, an denen wir zur Ruhe kommen und auf das Reden Gottes hören können. Orte, an denen wir allein sind, ungestört von Telefon und anderen Medien. Orte, an denen das, was Gott uns in seinem Wort sagt, persönlich werden kann. Eigentlich meiden wir solche Orte. Wir mögen die Stille nicht, denn sie hinter-fragt uns, zwingt uns, an das zu denken, was im Leben falsch gelaufen ist. Wir übertönen diese Stille gern mit dem Lärm der Medien und manche brauchen eine gewisse Geräuschkulisse, um überhaupt schlafen zu können. Deshalb zwingt Gott uns manchmal in die Stille. Er führt uns in die Wüste: Eine Krankheit, die uns zur Ruhe zwingt, und dazu, neu über unser Leben nachzuden-ken. Ein Schicksalsschlag, der unsere heile Welt zusammenbrechen lässt. Eine berufliche Enttäuschung, die uns auf ein Abstellgleis stellt. Für Mose war das so. Der Prinz von Ägypten war zu einem Viehhirten gewor-den. Sein mutiger Einsatz für die hebräischen Sklaven, von denen er ja auch einer war, artete in einer Katastrophe aus und drängte ihn in eine Sackgasse. Der Mord an einem ägyptischen Aufseher manövrierte ihn ins Abseits. Für den Rest seines Lebens. So dachte er jedenfalls. Und so schlecht ging es ihm doch gar nicht. Er hatte es gelernt in der Wüste zu leben. Er hatte dort eine neue Familie gefunden, eine Frau. Nun, sie war keine nach Lotus duftende Prinzessin, aber das brauchte Mose auch gar nicht mehr. Er war zufrieden. Auch mit seiner Arbeit. Vieh zu hüten, das ist nicht das Schlech-teste, man lernt Geduld zu haben. Auch mit sich selbst. Das Ungestüme, der dunkle Zorn, der ihn einst im Affekt zum Mörder werden ließ, hatte sich gelegt. Leider auch die Leidenschaft, die ihn für sein Volk erfüllt hatte – für seine hebräischen Brüder und Schwestern, die als rechtlose Sklaven auf den Baustellen Ägyptens schikaniert wurden. Ihre verzweifelten Schreie nach Rettung und Befreiung, er hörte sie nicht mehr. Gott spricht mit Mose und erinnert ihn daran, dass sein Volk immer noch leidet und sehnsüchtig nach Freiheit Ausschau hält. Gott gibt seiner eigenen Sehnsucht Ausdruck, indem er Mose in seinen Plan einweiht, die Kinder Israel aus Ägyp-ten zu befreien und sie in das Land zu führen, dass er ihnen versprochen hatte: Kanaan, ein Land, in dem Milch und Honig fließen! Und dann gibt Gott Mose den Auftrag, zum Pharao zu gehen und ihm im Namen Gottes zu befehlen, sein Volk freizulassen. Genau wie Mose geht es den meisten von uns recht gut. Damit meine ich unse-ren Glauben, unser Leben als Christen. Wir haben eine nette Gemeinde, in der wir jeden Sonntag Gottesdienst feiern können. Wir haben einen Hauskreis, in dem wir uns wohlfühlen können. Ja, und sonst? Das Leben hält uns halt auf Trab. Arbeit und kleine Kinder. Mehr Arbeit und große Kinder. In Rente und Enkelkinder ...nicht wahr, die Zeit vergeht?!! Was ist eigentlich mit deinem Lebenstraum passiert – damit, dass du in die Mission wolltest? Auf eine Bibelschule? Was ist mit deinem Sinn für Gerechtig-keit passiert – Es gab eine Zeit, da haben dich die ungerechten Strukturen in unserer Gesellschaft noch richtig wütend gemacht, und jetzt? Früher, da hat dich die Verlorenheit der Menschen ohne Jesus tief im Herzen berührt, und heute? Wo ist deine Leidenschaft geblieben? Gott hat dich mit ganz bestimmten Neigungen geschaffen. Dass du dich für bestimmte Dinge interessierst, ist kein Zufall. Passend dazu hat er dich mit bestimmten Begabungen ausgestattet. Diese gilt es zu entdecken und aufzuspü-ren, um sie dann zur Ehre Gottes und zum Wohl der Menschen einzusetzen. In der Gemeinde, aber genauso auch in der Gesellschaft, einem Verein z,B. Gott möchte mehr, als einen Busch in der Wüste anzustecken, er möchte deine Leidenschaft wieder neu entzünden. Er möchte dich daran erinnern, dass sein Herz für die Menschen schlägt, die in der Sklaverei der Sünde leben. Und er beruft dich, zu gehen und die gute Nachricht von der Liebe Gottes weiterzuge-ben, durch Wort und Tat. Mose hat – aus seiner Sicht – berechtigte Einwände, dass er die falsche Person ist, um diese Aufgabe zu erfüllen. "Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehen und die Israeliten aus Ägypten führen sollte?" Es war zwar inzwischen jemand neues auf dem Herrscherthron, das hieß aber noch lange nicht, dass es für Mose ungefährlich war, dort aufzukreuzen. Irgend-wer würde sich an ihn erinnern, daran erinnern, dass Mose damals den Aufseher umgebracht hatte. Manchmal will unsere Vergangenheit uns daran hindern, zu den Menschen zu gehen. Mit meinem Arbeitskollegen über meinen Glauben reden? Aber der weiß bestimmt noch, wie fies ich mich damals dem Praktikanten gegenüber verhalten habe – der Schuss geht nach hinten los! "Ich werde mit dir sein", ist Gottes einfache, aber eindeutige Antwort. Das heißt nicht, dass unsere Schuld keine Rolle spielt. Aber Gott schenkt Vergebung. Und als Menschen, die aus der Vergebung Gottes leben, sind wir sogar perfekt geeig-net, von Versöhnung mit Gott und Befreiung von Schuld zu sprechen. "Also, gesetzt dem Fall, ich gehe wirklich zu den Israeliten und sage ihnen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt. Sie werden mich fragen: Wie ist sein Name? Was soll ich ihnen sagen?" Der zweite Einwand betrifft die Identität Gottes. Die Welt, in der Mose lebt, kannte viele Götter. Deshalb geht es weniger um den Namen als solches, sondern vielmehr, was hinter diesem Namen steht. Mose will wissen: Wer ist dieser Gott, der von Befreiung redet? Auch in unserer multireligiösen Gesellschaft ist es nicht unwichtig, zu wissen, von welchem Gott wir reden, denn das Gottesbild im Islam oder im Buddhismus ist ein völlig anderes, als es uns die Bibel zeichnet. Gott offenbart sich unter dem Namen Jesus, was "Gott rettet" bedeutet. Deshalb ist das für uns kein Einwand. Wir kennen den Namen Gottes, sind mit seinem Wesen vertraut. Im Gespräch mit Menschen sollten wir den Mut haben, deutlich zu machen, welchen Weg der Rettung Gott uns anbietet: Nicht ein Abtragen unserer Schuld durch einen nicht endenden Kreislauf von Wiederge-burten, auch nicht um Selbsterlösung durch gute Taten, sondern völlige Verge-bung durch das stellvertretenden Opfer von Jesus Christus. "Aber sie werden mir nicht glauben!" Das Problem kennen wir auch sehr gut. In der breiten Masse unserer Bevölke-rung macht sich seit längerem eine starke Ablehnung dem christlichen Glauben gegenüber breit. Glauben ist schwierig. Deshalb brauchen Menschen Zeichen, die deutlich machen, dass sich Glaube lohnt. Genau wie zur Zeit von Mose wollen die Menschen etwas von der Macht Gottes sehen. Sie fragen: Kann Gott mich heilen, wenn ich krank werde? Kann er mir helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen? Oder ganz simpel: Was bringt es mir, an Gott zu glauben? Du und ich, wir sollen lebende Beispiele dafür sein, dass Glaube sich lohnt. An unserem Leben soll sichtbar werden, dass Gottes Kraft uns verändert und prägt. Das verlangt von uns vor allem eines: Ehrlichkeit. "Oh Herr, ich kann nicht gut reden." Mose bringt einen letzten Einwand vor. Er sei nicht begabt genug, um die von Gott geforderte Aufgabe zu erfüllen. Und Gott fühlt sich fast ein bisschen auf den Schlips getreten, wenn er zurück fragt: "Habe ich dich nicht gut genug geschaffen?" Es ist nicht sicher, ob Mose tatsächlich einen Sprachfehler hatte oder nur eine Entschuldigung suchte, um nicht gehen zu müssen. Tatsache ist, dass Gott jeden von uns von Stärken und Schwächen ausgestattet hat. Die Idee ist, dass wir lernen, im Team zu schaffen. Gott stellt Mose seinen Bruder Aaron zur Seite. "Er ist bereits auf dem Weg zu dir", sagt er, "und wird dich ergänzen, wenn ihr gemeinsam vor dem Pharao steht. Wenn Gott uns beruft, lässt er uns nicht allein. Er selbst geht mit uns. Und er stellt uns Schwestern und Brüder an die Seite, die unsere Schwachstellen aus-gleichen und uns motivieren, unsere Fähigkeiten zur Entfaltung zu bringen. Deshalb lasst uns in die Stille gehen. In die Wüste. Wir brauchen einen Ort, an dem nichts ist, dass uns ablenken kann. Dort will uns Gott begegnen. Und wenn seine heilige Gegenwart uns erfüllt, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn unsere Leidenschaft, Gott zu dienen, wieder neu anfängt zu brennen. Amen. Viktor Petkau